Heat Maps (Hitzekarten) und Gazeplots sind einfache deskriptive Auswertungen von Eye-Tracking Ergebnissen. Das bedeutet, dass wir anhand Visualisierungen beschreiben können, wohin die Blicke der Versuchsteilnehmer wandern und welche Bereiche die meiste Aufmerksamkeit erhielten. In diesem Kapitel lernst du, wie man Heat Maps und Gaze Plots professionell anwendet und interpretiert.
Inhalt
Analyse mit Heat Maps
Gaze Plots in Eye Tracking Untersuchungen
Beispielanalyse Merkel vs. Gaze Plot
Als Beispiel schauen wir uns einen Eye-Tracking Test mit zwei Werbeplakaten von Nivea an. Wir möchten wissen, bei welchem Plakat das Produkt unten rechts und der Satz „Shower, Shampoo and Shave“ am längsten angeschaut wurde. Die beiden Testbilder (Stimuli) werden nicht gleichzeitig gezeigt. Der Test zeigt den Versuchspersonen mehrere Werbeplakate einzeln, nacheinander und durchgemischt an, um die Vergleichbarkeit zu erhöhen. Die Probanden selbst wussten nicht, dass diese beiden Plakate wichtiger als die anderen sind.
Schaue beide Plakate genau an und überlege dir, welche Alternative gewinnen wird und warum. Überlege dir auch, welche Bereiche gut sichtbar sind und welche nicht.
Analyse mit Heat Maps
Heat Maps zeigen die Verteilung der Aufmerksamkeit über den gesamten Stimulus. Bereiche, die verhältnismäßig lange betrachtet wurden erhalten eine Farbe: von einem hellen grün über gelb bis hin zur rötlichen Färbung, als Hinweis für eine besonders intensive Betrachtung. Eine Heat Map Analyse zeigt uns nicht, in welcher Reihenfolge die einzelnen Elemente gesehen wurde oder wie einzelne Individuen sich unterschiedlich auf dem Plakat verhalten haben. Für diese Aussagen eignen sich Gaze Plots. Heat Maps zeigen in einer sehr einfachen Darstellungsform den Fokus der visuellen Wahrnehmung aller Probanden.
Lange Zeit galten Heat Maps als die Mutter aller Eye-Tracking Analysen. Ihre einfache Anwendung und Auswertung war der Grund, sie in quasi den meisten Auswertungen einzusetzen – mit allen negativen Folgen, die so eine versimplifizierte Darstellung mitsichbringt. Ob es nun mangelnde Kreativität oder schlicht fehlende Kompetenz ist, Fakt ist, dass zu viele Forscher irreführende Heat maps verwenden und falsche Schlüsse und Handlungsempfehlungen ableiten. Heat Maps sind wie ein Paar Rollschuhe: in gewissen Situationen machen Sie Spaß, aber nicht zu gebrauchen, wenn du ein Berg besteigen willst.
Um eine Heat Map richtig einzusetzen, solltest du mit A/B-Tests arbeiten, so wie in unserem Beispiel. Teste nicht einen einzelnen Stimulus, sondern mehrere Vergleichsmuster, die nur an bestimmten Stellen unterschiedlich sind. Eine Heat Map offenbart dir in einem direkten Vergleich, wie sich die Aufmerksamkeitsverteilung zwischen den Alternativen ändern wird.
In unserem Beispiel lag der Fokus auf dem Gesicht, was der gängigen Wahrnehmungsforschung entspricht, dass wir Menschen mit Vorliebe in ein Gesicht schauen. Darüber hinaus sehen wir, dass Bereiche wie der Werbeslogan und das Produkt gesehen wurden. Das gilt ebenfalls für die Alternative mit dem Pärchen als Motiv. Der Fokus lag auf den beiden Gesichter und auf der Rasierklinge. Der Fokus wird wesentlich intensiver in die Bildmitte gelenkt, während die einzelnen Elemente unten links wesentlich weniger Aufmerksamkeit erhalten.
Gaze Plots in Eye-Tracking Untersuchungen
Gaze Plots offenbaren die Position, zeitliche Reihenfolge und Dauer der Fixationen auf einem Stimulus an. Sie helfen zu bestimmen, mit welcher Abfolge beispielsweise ein Werbevideo oder wie in unserem Beispiel ein Werbeplakat wahrgenommen wird. Die Kreise zeigen die gemessenen Fixationen an, der Radius der Kreise bestimmt die Dauer der Fixation, mit der Gleichung: je größer der Kreis, desto länger wurde hingeschaut. Einzelne Linien bilden Sakkaden ab, während jede Versuchsperson eine andere Farbe erhält. Das macht die Gaze Plots wesentlich komplexer als eine simple Heat Map, vor allem, wenn die Ergebnisse mehrerer Probanden visualisiert werden.
Auch die Gaze Plot Analysen haben ihre Grenzen. Wenn mehr als zwei Probanden gezeigt werden, mutieren Sie zu einem bunten Mosaikfenster und sind dabei genauso statisch. Gaze Plots sollten deshalb dynamisch in einem Video gezeigt werden. Eye-Tracking Software wie Tobii Studio oder Lab können das recht einfach realisieren. Videos offenbaren versteckte Verhaltensmuster, die sehr nützlich für das Optimieren von Werbeplaken oder Benutzeroberlfächen für Webseiten oder Software sind.
Auch Heat Maps sind eine Visualisierung von deskriptiven Daten, um eine Verteilung der visuellen Wahrnehmung zu beschreiben. Für mittelmäßige Agenturen mag das reichen, für echte Forscher ist das nur der erste Schritt. Bereit für den nächsten?
Beispielanalyse Merkel vs. Gaze Plot
Dies ist das Ergebnis einer Aufzeichnung von einer einzelnen Versuchsperson, die sich das Werbeplakat des Autovermieters Sixt 7,223 Sekunden betrachtet hat. Die Ziele eines Werbeplakats sind in der Regel, das Interesse zu wecken und die Werbebotschaft zu kommunizieren und eine Handlungsabsicht zu initiieren. Die ersten beiden Ereignisse lassen sich mit Eye-Tracking messen. Die roten Kreise zeigen die Position der Fixationen, die Nummern deren Reihenfolge und die Größe der Kreise die Dauer der Fixation. Die roten Linien markieren Sakkaden. Das Werbeplakat lässt sich in vier Bereiche einteilen, zwei Bilder oben links und rechts und zwei Textpassagen auf der unteren Seite.
Der größte Anteil der Aufmerksamkeit wird auf die Bilder und nicht auf die Texte gerichtet. Das Plakat erzählt eine Geschichte in zwei Bildern mit Angela Merkel, deren neue Frisur radikal dem gewohnten Erscheinungsbild widerspricht. Dieser Widerspruch wird durch das besonders biedere linke Bild umso deutlicher. Der untere Bereich stellt eine Frage, die auf der rechten Seite beantwortet wird und verdeutlicht, dass das rechte Bild eine Folge darstellt. Der getestete Proband nahm alle vier Elemente des Plakats wahr. Die Aufmerksamkeit verteilt sich von der linken auf die rechte Seite und folgt dem geplantes Erzählung. Dies entspricht den gängigen Verhaltensmustern, bei der wir Inhalte nach unserer erlernten Leserichtung von links nach rechts und von oben nach unten (Stichwort „F Pattern“) betrachten. Gut funktioniert der graue Hintergrund, der ohne Details die Aufmerksamkeit direkt auf die Profilfotos richtet. Bereits in der Peripherie wird erkannt, dass es im Hintergrund nichts Relevantes gibt, was die Blicke umso mehr in die Bildmitte fokussiert. Die visuelle Komplexität wurde auch durch die einfache und deutliche Schrift reduziert. Schwarzer Hintergrund mit knalliger, großer Schrift sorgt für starke Kontraste, was zusammen mit den wenigen Buchstaben für eine leichte Lesbarkeit sorgt. Die Geschwindigkeit für das Lesen der Werbebotschaft wird erhöht und die Wahrscheinlichkeit der Wahrnehmung der Werbebotschaft maximiert. Der kleinere Satz unten rechts, der in der Werbewelt Call-To-Action (Handlungsabsicht) genannt wird, ist relativ klein geraten.